Iraks ehemaliger Ministerpräsident Iyad Allawi erwartet mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ einen Krieg um Irans Nuklearprogramm. „Überall in der Region herrscht Angst, auch in Amerika, auch in Iran“, sagte Allawi gegenüber dem „Spiegel“. „Wir steuern auf eine Lage zu, die beinahe der Kuba-Krise von 1962 gleicht.“
Die internationale Staatengemeinschaft solle den Gesprächsfaden mit Teheran nicht abreißen lassen, sondern versuchen, „zu sehen und zu spüren, wo Irans Ängste liegen“. Auf die Frage, ob Irak mit einem nuklear bewaffneten Nachbarn Iran leben könnte, antwortet Allawi: „Das glaube ich nicht.“ Allawi, der von 2004 bis 2005 Ministerpräsident war, ging aus der Parlamentswahl im März als knapper Sieger hervor, konnte den Amtsinhaber Nuri al-Maliki aber bislang nicht als Premier ablösen, weil die Verhandlungen zur Regierungsbildung festgefahren sind. Nach dem offiziellen Ende des US-Kampfeinsatzes im Irak fürchtet Allawi die Gefahr eines Rückfalls in die blutigen Jahre 2006 und 2007. Das wäre verheerend, sagt Allawi, denn diesmal „haben wir keine multinationalen Streitkräfte mehr, die einen Bürgerkrieg eindämmen könnten“. Auch die neue Runde von Nahost-Friedensgesprächen, die Anfang September in Washington beginnen, kommentiert Allawi zurückhaltend: „Ich bin sehr skeptisch. Ich glaube nicht, dass sie Erfolg haben werden. Die Umstände sprechen nicht für einen Durchbruch.“
Diese Meldung aus Bagdad wurde am 28.08.2010 um 11:21 Uhr mit den Stichworten Irak, Iran, Gewalt, Terrorismus übertragen.