Islamistenführer Rachid Ghannouchi vor Rückkehr nach Tunis

Der im Londoner Exil lebende tunesische Islamistenführer Rachid Ghannouchi, 69, will „sehr bald“ in seine Heimat zurückkehren. Wie er dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ sagte, strebe er dennoch im neuen Tunesien kein Amt an. „Ich bin kein Chomeini“, erklärte Ghannouchi.

Vielmehr wolle er nach 22 Jahren im Ausland nach Hause – und da „intellektuell beitragen“ zu einer entstehenden „Ära der Demokratie“. Ghannouchi, Chef der seit 1989 verbotenen Islamistenpartei al-Nahda, forderte von der jetzigen Führung eine Generalamnestie für alle Verurteilten einschließlich seiner Person. Unter dem geflohenen Diktator Ben Ali war er zu einer Haftstrafe von dreimal lebenslänglich verurteilt worden. Noch gelte der Haftbefehl. Wie Ghannouchi weiter sagte, müssten alle Repräsentanten der bisherigen Regierungspartei ihre Ämter umgehend aufgeben. Es stünden für die Übergangszeit bis zu den ersten freien Wahlen genügend „unabhängige Experten“ zur Verfügung. Für die Zukunft wünschte er sich ein „Ende der Ein-Parteien-Herrschaft“ in Tunesien. Nur Koalitionen könnten das Land vor einer neuen Tyrannei bewahren. Die sehr weitgehende Geschlechtergleichstellung in Tunesien bezeichnete er als „eine legitime Interpretation des Islam“, die es zu bewahren gelte. Frauen hätten ein Recht auf Bildung, Arbeit, gesellschaftliches und politisches Engagement. Den Europäern warf Ghannouchi vor, das alte Regime trotz gravierender Menschenrechtsverletzungen unterstützt zu haben. „Damit“, so Ghannouchi, „hat Europa seine Werte verraten. Das Schweigen Europas hat die Diktatur verlängert.“

Diese Meldung aus London/Tunis wurde am 22.01.2011 um 15:09 Uhr mit den Stichworten Großbritannien, Tunesien, Weltpolitik, Proteste übertragen.

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