Der Kontinent Amerika könnte unabhängig voneinander zweimal besiedelt worden sein. Das ist das Ergebnis einer Studie der Uni Tübingen und der brasilianischen Universidade de São Paulo. Hierfür wurde eine Serie von Skeletten aus Südamerika geprüft, die zwischen 7.500 und 11.500 Jahren alt sind.
Die Wissenschaftler entwickelten sechs verschiedene Besiedlungsszenarien für die Neue Welt, darunter eine einzige Besiedlung, eine Einwanderungswelle, deren Gruppen sich über die Zeit hinweg an die Umgebung angepasst haben, und eine zweifache Einwanderung. Jedem dieser Szenarien, liegt eine bestimmte Annahme über die Entwicklung der Schädelform zugrunde. Die Autoren fanden heraus, dass die unterschiedlichen Schädelformen der modernen und prähistorischen Populationen am besten mit dem Migrationsmodell einer zweifachen Besiedlung Amerikas zusammenpassen. Ihren Ergebnissen zufolge muss der letzte gemeinsame Vorfahr der frühen und heutigen Ureinwohnergruppen außerhalb des amerikanischen Kontinents gelebt haben. Am wahrscheinlichsten ist ein Szenario, nach dem zwei Gruppen unabhängig voneinander aus Nordostasien nach Amerika eingewandert sind. Frühe Einwanderer aus Nordostasien könnten über die Beringstraße auf den Kontinent gelangt sein und frühe amerikanische Populationen in Süd- und Zentralamerika begründet haben. Diese erste Ausbreitung geschah wahrscheinlich vor der Entwicklung der besonderen Schädelmerkmale, die amerikanische Ureinwohner heute auszeichnet. Diese Schädelform wäre dann über eine zweite Einwanderungswelle aus Ostasien über die gleiche Route nach Amerika gekommen. „Die Annahme einer zweifachen Besiedlung Amerikas ist nicht neu. Doch haben wir zum ersten Mal die verschiedenen Szenarien aus der Literatur formal geprüft, um festzustellen, mit welchem sich die Unterschiede zwischen frühen und späten Gruppen in Amerika am besten erklären lassen“, schreiben die Autoren. Dagegen sprachen die Ergebnisse früherer genetischer Untersuchungen eher für eine einmalige Besiedlung des Kontinents. Zur Einordnung der neuen Ergebnisse erklären die Wissenschaftler: „Wir machen mit unserer neuen Studie deutlich, dass die Prozesse, die zur Besiedlung Amerikas geführt haben, komplexer sind, als es zuvor häufig dargestellt wurde.“
Diese Meldung der dts Nachrichtenagentur aus Tübingen wurde am 14.06.2010 um 23:27 Uhr mit den Stichworten USA, Wissenschaft übertragen.