Frauenquote gibt neuen Auftrieb für Corporate Governance und Compliance.

Der Führungsstil männlicher Wirtschaftsgrößen ist in den Schlagzeilen durch einen ganz eigene Charakteristik gekennzeichnet: „Preisabsprachen bei Siemens – Europäischer Gerichtshof bestätigt 400 Mio. Euro Bußgeld!“, „Schmiergeldskandal bei Siemens – Gericht verurteilt Unternehmen zu 201 Mio. Euro!“, „Schienen-Kartell bei ThyssenKrupp – Kartellamt verhängt Bußgeld in Höhe von 103 Mio. Euro!“, „Zementkartell – Kartellamt verhängt Bußgelder von 660 Mio. Euro!“

Der Vorstand – eine Männerdomäne.
„Einer Frau wäre das nicht passiert!“ – lautet die provokante These, die sich hier mit Blick auf die exemplarischen Beispiele der deutschen Unternehmens-Skandal-Agenda aufdrängt. Ob nun Zufall oder Tradition, die Führung von Großunternehmen ist immer noch eine Männerdomäne und zugleich Ausdruck einer ausschließlich durch Männer bestimmten Wirtschaftskultur. Charakteristisch für die Führungskompetenzen dieser ganz eigenen Welt ist eine Selbstverständnis der etablierten Wirtschaftskriminalität. Ein Blick in die einschlägigen Gazetten, wie Handelsblatt, F.A.Z., Spiegel, WiWo und dem Pressearchiv des Bundeskartellamtes spricht hier eine deutliche Sprache. Dabei handelt es sich nur um die Spitze des Eisberges der prominenteren Fälle.

Die Zeiten, in denen der Erfolg eines Unternehmens gleichviel am Umsatz wie an der Höhe der verhängten Bußgelder zu messen war („Wo gehobelt wird, fallen Späne!“) dürften bald der Vergangenheit angehören. Schmiergelder, Preisabsprachen und Steuerbetrug sind keine Kavaliersdelikte, sondern rechtswidrige Straftaten. Der hier oft bemühte „Unternehmerische Handlungsspielraum (zu Neudeutsch: „Business Judgement Rule“) wird mißverstanden: Er ist kein Freibrief für willkürliche Vorstandsentscheidungen. Tatsächlich entbindet die Regel den Vorstand nicht von der Pflicht zu sorgfältigem und rechtmäßigem Handeln. Diese Grundsätze hat die Unternehmensleitung im gesamten Unternehmen zu gewährleisten. Damit stellt sich die Frage: Wie ist es um das pflichtgemäße Handeln der Vorstände bestellt?

Studie zur Wirtschaftskriminalität
Eine Studie von PricewaterhouseCoopers und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg „Wirtschaftskriminalität 2011“ (Neuauflage Ende 2013) zeigt, daß Wirtschaftskriminalität in Deutschland nach wie vor weit verbreitet ist. Typischerweise gibt es eine hohe Dunkelziffer. Ja, man geht auch hier mit der Zeit: Während der klassische „Griff in die Kasse“ abnimmt, häufen sich Delikte der Computer- und Datenkriminalität. Diese Delikte sind nur schwer aufzudecken. Obwohl die Korruption jetzt im Fokus der Behörden steht, nimmt Deutschland auf dem Korruptionsindex von Transparency International lediglich Platz 13 von 174 bewerteten Ländern ein (Werte 2012).

Zunehmend sehen die Unternehmen heute die Probleme der indirekten Auswirkungen korrupten Verhaltens. Reputationsschäden und sinkende Börsenkurse sowie enorme Rehabilitationskosten machen Korruption auch aus wirtschaftlicher Sicht unattraktiv. Der Schutz vor Korruption erfordert allerdings grundlegende interne Compliance Strukturen. Laut Studie werden die Hälfte aller illegalen Verhaltensweisen durch die eigenen Mitarbeiter begangen. Zunehmend werden diese Fälle auch systematisch zur Anzeige gebracht. Etwas anderes gilt oft in der Chefetage. Hier wird Fehlverhalten häufig toleriert und vertuscht.

Der ehrbare Kaufmann.
Der Begriff des „Ehrbaren Kaufmanns“ steht stellvertretend für die Redlichkeit in der Wirtschaft. Er geht zurück auf eine lange Tradition. Bereits im 15. Jahrhundert setzte man auf das System der doppelten Buchführung, um Herkunft und Verwendung von Geld und Waren transparent dokumentieren zu können. Der Handschlag eines Kaufmanns galt wie ein Vertrag und sein Wort glich einer Garantie. Dieser „Kodex“ der „Ehrbaren Kaufleute“ hat über Jahrhunderte dem Handel und Gewerbe eine sichere Grundlage gegeben. Können wir uns heute noch darauf verlassen?

Mit dem Verwalter des Krupp-Erbes Berthold Beitz ist im Juli 2013 eine der letzten Leuchttürme deutschen Industrie-Patriarchismus abgetreten. Mit ihm ging auch ein großer Rückhalt der traditionellen Wertekultur im Unternehmertum verloren. In welchem Unternehmen findet sich heute noch der Gründer, dessen Wort einer unwiderruflichen Bürgschaft gleicht und dessen Streben im Zeichen der Nachhaltigkeit immer auch die Verantwortung für Belegschaft und Gesellschaft mitumfaßte?

Verlust traditioneller Verantwortungswerte.
Das moderne Unternehmertum ist flexibel, wechselt quasi über Nacht vom Stahlkonzern zum Mobilfunkanbieter, vom Schiffbau zur Touristik oder vom Familienunternehmen zum Hedge-Fonds-Objekt. Zwerge wollen Riesen schlucken, Firmen mit kopierten Ideen virtueller Dienstleistungen haben eine höheren Börsenwert als das Sozialprodukt ganzer Länder. Ein internationales System von Banken vernichtet in einer absehbaren Finanzkrise Werte in geschätzt 14stelliger Größenordnung (US-Dollar). Wo bleibt hier die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens?

Unternehmen denken und handeln heute in mittelfristigen Zeiträumen von etwa 4 bis 8 Jahren, entsprechend 2 bis 3 „Legislaturperioden“ der Vorstandsmitglieder eine Aktiengesellschaft. In dieser Zeit gilt es, Geschäftsfelder auszubauen und die Zahlen zu optimieren. Gegebenenfalls müssen durch Kauf und Verkauf des Unternehmens Gewinne realisiert werden. Vorstände und Geschäftsführer kommen und gehen. Selten haben sie einen fachlichen Hintergrund aus dem Geschäftsbereich des Unternehmens. Ihnen fehlen zudem die gewachsenen Kontakte in der Firma. Äußerungen und Versprechungen der Vorstände geben heute mehr Anlaß zu Mißtrauen als ein Gefühl der Sicherheit. Das belegen eindrucksvoll die Versprechungen der Führung von Opel, Nokia oder Karstadt zum Erhalt von Standorten.

Compliance – Institutionalisierung von Vertrauen.
Wenn die alten Werte in den Unternehmen nicht mehr greifen, wie können dann Redlichkeit und Vertrauen im Unternehmen erhalten bleiben? Wenn diese Werte nicht mehr personalisiert werden können, muß man sie institutionalisieren. Das Vertrauen in die Redlichkeit des Unternehmens stützt sich nicht mehr auf den Inhaber, sondern auf die Organisationsstruktur. Die Struktur überwacht und gewährleistet die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Handlungen des Unternehmens.

Ein solches „Compliance“-System (dt: „Befolgung“) zur Überwachung und Gewährleistung der Einhaltung einer rechts- und regelkonformen Unternehmensführung ist ansich kein neuer Gedanke. Abteilungen wie Warenkontrolle, Buchhaltung, Controlling und Revision dienten schon immer auch der Sicherung eines rechtmäßigen Verhaltens der Unternehmen. Die bisherige rein finanzwirtschaftliche Betrachtungsweise greift allerdings zu kurz. Das belegen eindrucksvoll die aktuellen Zahlen der Fälle von Bestechungen, Wettbewerbsabreden, Schwarzarbeit, Steuerdelikten usw. Heute verlangen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen weitere Anstrengungen. In wirtschaftlicher Sicht ist ein effektives Risikomanagement und Früherkennungssystem erforderlich. Zur Gewährleistung rechtlicher Konformität bedarf es zusätzlich einer unabhängigen Überwachungsstruktur.

Widerstand in den Konzernspitzen.
Unverständlich ist, warum eine so große Anzahl von deutschen Kapitalgesellschaften dieser zentralen Pflichtanforderung nicht nachkommt. Die Anforderungen sind in den Vorschriften klar formuliert: AktG, HGB, OwiG, Corporate Governance Kodex etc. Die Rechtsprechung vollzieht die Gesetze entsprechend. Sie verhängt teils horrende Bußgelder und Strafen. Die Pflichtanforderungen werden zunehmend extensiv ausgelegt. Länder wie Großbritannien oder die USA verlangen unter Androhung von Strafe angemessene Compliance-Systeme in den Unternehmen (FCPA und UK-Bribery-Act). Das betrifft auch ausländische Handelspartner. Unternehmen, die eine Compliance-Struktur ablehnen machen sich grundsätzlich verdächtig. Sie tragen im Falle von Unregelmäßigkeiten die Beweislast für ihre Unschuld. Sie werden von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen. Es wird für sie schwieriger, sich zu refinanzieren.

Interessant, daß selbst ein Weltkonzern wie Siemens erst nach einer Verurteilung im Jahr 2007 für extensive Schmiergeldzahlungen von über 1,3 Mrd. Euro den Entschluß faßte, ein Compliance-System einzurichten. Laut historischen Berichten ist Siemens bereits 1914 durch Bestechungsskandale gegenüber der Japanischen Regierung auffällig geworden. Der Konzern verfügte also über eine lange fragwürdige Tradition. War das an der Konzernspitze nicht bekannt – oder wollte man nicht mit der Tradition brechen?

Die Einrichtung eines Compliance-Systems wird vielerorts immer noch als umständliche und nutzlose Aufwendung gesehen. Ein solches System erhöht maßgeblich die Anforderungen an eine professionelle, handwerklich wie organisatorisch saubere und transparente Unternehmensführung. Die altgediente Garde der Unternehmenslenker hat ihr Handwerk aber in den seltensten Fällen originär erlernt. Häufig haben sie mit Ellenbogen und durch erfolgreiches Golfen den Weg an die Spitze gefunden. Von dort aus wurden sie von einem Posten zum anderen weitergereicht. Organisationspflichten und transparente Unternehmensführung galten in diesem Kontext immer schon als „schwierig“. Nicht anders geht es der nachrückenden Führungsgeneration. Sie ist vor allem eines: renditeorientiert. Aufwendungen für Compliance schmälern unmittelbar den Gewinn und führen zu einer unerwünschten Transparenz der Gewinnmaximierung.

Die Frau als Lösung?
EU-Kommission und Parlament haben aktuell eine Initiative auf den Weg gebracht, um eine Frauenquote von 40 % in den Aufsichtsräten börsennotierter Kapitalgesellschaften zu realisieren („EU will Frauenquote“ – FAZ.NET v. 20.11.13). Wäre das die Lösung für ein nachhaltiges Wirtschaften der Unternehmen? Anerkannt ist, daß Frauen analytische und intuitive Informationen besser miteinander verbinden können, sozial intelligenter sind und ein besseres Erinnerungsvermögen haben („Kleine Unterschiede“ in: F.A.Z. Nr. 282 v. 4.12.2013, S. N1). Statt einer direkten Konfrontation verfolgen Sie häufiger eine längerfristige Strategie. Frauen setzen mehr auf die strukturellen Ressourcen der Unternehmensführung. Ein funktionierendes Compliance-System bietet diesen Frauen einen optimalen Zugriff auf den rechtlichen Status des operativen Geschäfts. Die gewonnenen Informationen stützen die Umsetzung von Entscheidungsvorlagen in einem von Frauen bevorzugten nachhaltigen Führungsstil. Sie unterscheiden sich damit von den zahlreichen undokumentierten „Bauch-Entscheidung“ ihrer männlichen Pendants.

Ein Compliance-System ist ein Instrument zur Erfüllung der aktuellen Anforderungen zur Selbstkontrolle und Vertrauensbildung in der Wirtschaft. Dabei faßt es die bereits in den Unternehmen etablierten Kontrollinstrumente der Finanzbuchhaltung, des Controllings, der Revision und der Warenwirtschaft in rechtlicher Sicht zusammen. Nach der o. g. Studie zur Wirtschaftskriminalität hat das Compliance Bewußtsein in den letzten Jahren stark zugenommen. Es konnte ein deutlicher prozentualer Anstieg der Bemühungen der Unternehmen zur Einrichtung interner Compliance-Systeme festgestellt werden.

Ob nun als Quote oder im Zuge einer Compliance-Evolution: Die kommenden Frauen in den Unternehmensspitzen werden mit ihrer strategischen Ausrichtung den Weg für eine flächendeckende Etablierung von Compliance-Systemen ebnen. Ein Beispiel ist die ehemalige IKEA-Managerin Eva-Lotta Sjörstedt, die ab 2014 die Spitze des Karstadt-Konzerns übernimmt (Rheinische Post v. 12.12.2013, S. B1). Auch General Motors wird nun durch eine Frau gelenkt: Mary Barra übernimmt die Führung des zweitgrößten Automobilkonzerns der Welt (Spiegel Nr. 51/2013, S. 56). Und auch das Bundesverteidigungsministerium wird ab kommendem Jahr von Frau „Ministerin“ Ursula von der Leyen geleitet. Sie folgt damit den Beispielen Norwegen, Schweden und den Niederlanden. Niemand wird ernsthaft bezweifeln wollen, daß Frau von der Leyen durch ihr hochprofessionelles Management und ihre Zielstrebigkeit die Bundeswehrreform erfolgreich vollenden wird.

Die Zeit ist gekommen, daß Legenden vom Zuschnitt eines Heinrich von Pierer, eines Ferdinand Piëch oder eines Gerhard Cromme, in den Sonnenuntergang reiten und lernen loszulassen. Ihnen folgt eine, im positiven Sinne ganz und gar nicht „männliche“ Führungsgeneration, die die Unternehmen auf das Professionalisierungs-Level des 21. Jahrhunderts heben wird.

Bleibt noch zu wünschen, daß Frauen im Management die Kraft haben, den Führungsstil ihrer männlichen Kollegen nicht adaptieren zu müssen. Umgekehrt steht es auch den Herren an, den strukturellen Wandel zu einer Compliance gestützten Unternehmensorganisation anzustoßen und die Potentiale sich ergänzender Führungsstile auszuschöpfen.

Pressekontakt
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Dr. Carsten Ludwig Riemer
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