In Deutschland nimmt die Zahl betrügerischer Telefonanrufe drastisch zu. Das geht aus einem Bericht der Aufsichtsbehörde für die Telefonbranche hervor, bei der immer mehr geschädigte Bürger Anzeige erstatten. Polizei und Justiz greifen dem Bericht zufolge nur selten durch.
Selbst bei großen Betrugsfällen finde „faktisch keine Strafverfolgung statt“. Weiter rügt die Bundesnetzagentur in ihrem Bericht, der der Süddeutschen Zeitung (Samstagausgabe) vorliegt, dass die Justiz nicht konsequent gegen mutmaßliche Betrüger vorgehe und stattdessen viele Ermittlungsverfahren „sanktionslos“ eingestellt würden. Dies sei eine ?untragbare Situation?. Die dem Bundeswirtschaftsministerium zugeordnete Behörde mit Sitz in Bonn kontrolliert die Telekommunikationsbranche sowie Bahn, Post und den Strom- und Gasmarkt. Wegen unlauterer Geschäftspraktiken am Telefon wird die Aufsichtsbehörde, wie sie schreibt, inzwischen von einer „Anzeigenflut“ empörter Bürger überschwemmt. Von Januar bis April 2010 gingen in Bonn mehr als 66 000 Beschwerden ein. Das ist ein neuer Rekord: In den ersten vier Monaten des Vorjahres waren es nur 14 000 Eingaben gewesen. Der Aufsichtsbehörde zufolge gibt es immer mehr Fälle, bei denen kriminell agierende Firmen mit Hilfe von Sprachcomputern massenweise Verbraucher anrufen und ihnen per Bandansage mitteilen, sie hätten ein wertvolles Auto gewonnen. Um den Gewinn einzulösen, müsse eine 0900-Servicenummer gewählt werden. Wer das befolgt, landet aber in teuren Warteschleifen und wird mit hohen Telefongebühren belastet, statt das erhoffte Auto zu bekommen. Solche Firmen agierten im großen Stil und „mit erheblicher krimineller Energie“, warnt die Netzagentur. Den internen Bericht legte die Behörde bisher nur ihrem Beirat vor, dem etliche Bundestagsabgeordnete und die Wirtschaftsminister fast aller Bundesländer angehören. Sie wurden darüber informiert, dass die Netzagentur an die mutmaßlichen Täter meist gar nicht herankommt. Die Hintermänner säßen oft im Ausland, wo sie Scheinfirmen gegründet hätten. Versuche, Bußgelder zu vollstrecken, liefen „regelmäßig ins Leere“. Betrogene Verbraucher, die ihr Geld zurückverlangen wollten, stünden diesen Firmen „rechtlos gegenüber“. Von Polizei und Justiz sei keine Hilfe zu erwarten, beklagt die Netzagentur weiter. Staatsanwaltschaften und Polizei agierten unkoordiniert. Sie seien überlastet, und das tatsächliche Ausmaß des Problems sei ihnen nicht bekannt. Zudem würden Ermittlungsverfahren vorschnell eingestellt. Die Aufsichtsbehörde fordert die Einrichtung einer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft, die bundesweit gegen den Telefonbetrug vorgehen solle. Die Netzagentur hat in den vergangenen sechs Monaten bereits die Abschaltung von mehr als 300 solcher 0900-Nummern verfügt. Das genügt aber offenbar nicht, um den Kriminellen das Handwerk zu legen. Die Netzagentur weiß nicht einmal, um wie viele Millionen Euro die Verbraucher insgesamt geschädigt werden. Von den 66 000 Beschwerden, die innerhalb von vier Monaten eingingen, bezogen sich 35 000 auf derartige Betrügereien. Die übrigen Anzeigen betreffen Firmen, die Bürger zu Hause anrufen, um etwa Gewinnspiele zu verkaufen. Solche Werbeanrufe sind illegal, sofern die Verbraucher zuvor nicht ausdrücklich eine Erlaubnis dazu erteilt haben.
Diese Meldung der dts Nachrichtenagentur aus Berlin wurde am 31.07.2010 um 02:00 Uhr mit den Stichworten DEU, Unternehmen, Kriminalität übertragen.