Günter Amendt beim Autounfall gestorben- ein Nachruf

Der berühmte und stets emsig aktive Sozialwissenschaftler Günter Amendt ist bei einem unverschuldeten Autounfall in Hamburg ums Leben gekommen. Im Stadtteil Eppendorf hat ein Autofahrer eine rote Ampel missachtet und ist in die Seite des Autos gerast, wo Amendt saß. Neben Amendt erlagen der Schauspieler Dietmar Mues, seine Ehefrau Sybille und ein anwesender Passant ihren Verletzungen. Amendt wurde in der 68er Bewegung berühmt, als er sexualwissenschaftliche Bücher veröffentlicht hat. Später wandte er sich der Drogenpolitik zu, in der ansonsten hysterischen Diskussion gehörte Amendt zu den wenigen Wissenschaftlern, die um eine sachliche Diskussion bemüht waren. Zeitlebens wandte sich Amendt gegen die Drogenprohibition, ironischerweise stand der Unfallverursacher, der noch mit schweren Verletzungen im Krankenhaus behandelt wird, anscheinend unter Drogeneinfluss.

Günter Amendt wurde am 8. Juni 1939 in Frankfurt/Main geboren, sein Zwillingsbruder Gerhard Amendt ist anerkannter Soziologe und lehrt aktuell an der Universität Bremen. Der Sohn eines Angestelltenpaares absolvierte erst eine kaufmännische Ausbildung, danach studierte er an den Universitäten von Frankfurt und Gießen Soziologie. Nach einem Aufenthalt an der Eliteuni Berkeley in den USA stieߟ er auf die Studentenbewegung, er wurde Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS. 1973 verurteilte ein Gericht Amendt zu einer Geldstrafe von 30.000 Dm, weil er 1968 an einer Anti-Springer Demonstration teilnahm.

Nach Abschluss seines Studiums nahm er eine Tätigkeit als Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sexualforschung. in der folge veröffentlichte er Bücher, die große Resonanzen hervorriefen. Sex-Front (1971) war ein Aufklärungsbuch für Schüler und Studenten, Abbildungen von nackigen Minderjährigen lösen heute befremdliche Gefühle aus, doch damals war das Buch wichtig für die Jugend, da andere Aufklärer, wie Oswald Kolle, ein älteres Publikum im Visier hatten. Das Sex-Buch (1979, mit Reidenbach und Lobell) richtete sich erneut an jugendliche Leser. Noch 1989 veröffentlichte er ein Buch zur Homosexualität in der ehemaligen DDR.

Danach wandte sich Amendt verstärkt der Drogenpolitik zu. Er verfasste mehrere Bücher, besonders empfehlenswert ist das Buch „No Drugs No Future“ (2003). In diesem Buch zeichnet Amendt exakt nach, wie die weltweite Drogenprohibition die Lage weitaus verschlimmerte. Als Beispiel zeichnete Amendt den Weg des Kokainanbaus in Kolumbien nach. Noch in den 60ern war Kolumbien ein klassisches Marihuana-Anbauland. Nachdem die USA den Druck auf die Regierung in Kolumbien erhöhte, gleichzeitig Züchter in Kalifornien Haschisch und Marihuana für den US-Markt produzierten, waren die Marihuana-Anbauer in Kolumbien auf einmal arbeitslos. Doch die Strukturen bestanden weiter, also holten sich die vormaligen Marihuana-Anbauer Koka-Triebe aus Bolivien. heute kommen rund 80% der weltweiten Kokainproduktion aus Kolumbien. Ähnliches ist in Afghanistan geschehen, einst ein Haschisch-Anbauland (Stichwort Schwarzer Afghane) beliefert das Land 90 % der Opiumprodukte weltweit.

Amendt machte aber auch auf die Gefahr des Dopings im Sport (hier im Interview mit Jörg auf dem Hövel) aufmerksam, ferner warnte er vor dem „legalen“ Missbrauch von Medikamenten und der Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft. Seine Erfahrungen machte er während seiner Tätigkeit in einer Hamburger Drogenklinik. Neben seinen Büchern verfasste Amendt Radiobeiträge (wie zum 60. Geburtstag von Bob Dylan, oder die LSD-Nacht auf DRadio).

Diese Gesellschaft verliert einen Sozialwissenschaftler, den sie vielleicht nicht verdient hat. Seine sachlichen Darlegungen zur Kritik der internationalen Drogenpolitik, welche auch die Grundlage zur Haltung von Online-Presseportal darstellen (Drogenprohibition verschlimmert die Drogenproblematik!!! Siehe Beitrag Synthetische Cannabinoide), wird als Stimme der Vernunft in einem emotionsgeladenen Thema, wie Drogen, fehlen.

 

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