Zweite Islamkonferenz: die Integration des Islam in Deutschland?

Allenthalben heißt es, in Deutschland lebten vier Millionen Muslime, Anhänger der Glaubensrichtung Islam. Deutlich sichtbar wird dies durch den Bau von Moscheen in deutschen Großstädten samt Anhang, also Protestaktionen von Menschen, die hinter jedem Minarett ein Eroberungsversuch der Muslime wittern wollen. Hier scheint das Verhältnis von Menschen islamischen Glaubens und Menschen anderer Richtungen nicht geklärt, Islamfeindlichkeit und Rassismus gehen einher Hand in Hand. Auf der anderen Seite gibt es unstrittig Menschen, die eine undemokratische Gesellschaftsordnung anstreben und die Religion ins Feld führen, sichtbar an terroristischen Akten. Um dieses Konfliktfeld bearbeiten zu können, versucht nun die Bundesregierung verzweifelt einen Ansprechpartner zu finden und einzubinden. Das Problem dabei ist nur, es gibt nicht „die Muslime“, eine homogene Gemeinschaft die nach gleichen Gesellschaftsentwürfen strebt und lebt. Das weiß auch die Bundesregierung, die händeringend nach einem Gesprächspartner sucht.

Warum Islamkonferenz?

Die erste Islamkonferenz fand am 27. September 2006 statt, Initiator war der damalige Bundesinnenminister Schäuble. Ziel der Konferenz aus Sicht des Innenministerium ist es, eine bessere religions- und gesellschafttspolitische Integration der Muslime in Deutschland zu erreichen. Die teilnehmenden islamische Verbände versuchen ihrerseits, neben der direkten Aufwertung als Gesprächspartner der Bundesregierung, eine Lobbyarbeit im Sinne ihrer Anhänger (Anerkennung als Religionsgemeinschaft/Körperschaft des öffentlichen Rechtes, getrennter Sportunterricht für Jungs und Mädels, Lockerung des Schächtverbotes etc) zu leisten. In der Tat sieht sich die Bundesregierung einer Herausforderung ausgesetzt. Sie hat 40 Jahre lang die Menschen islamischen Glaubens alleine (oder in Ruhe, je nach Sichtweise) gelassen. Auf den versteckten Hinterhöfen, dort wo die Moscheen von der Öffentlichkeit abgeschirmt waren, hatten es radikale Strukturen wesentlich einfacher, sich in den jeweiligen Religionsgemeinschaften und Köpfen zu etablieren, verfassungsfeindliche Elemente hatten quasi eine eigene Aufzuchtstation. Das Vorrücken der Moscheen aus den Hinterhöfen in den Fokus der Öffentlichkeit gibt keine Garantien, dass islamistische Tendenzen beseitigt werden, dennoch wird es radikalen Strukturen schwerer gemacht ihre Arbeit im Heimlichen durchzuführen. Integration bedeutet eben auch Kontrolle, und das weiß auch die Bundesregierung.

Der Islam- ein Sammelsurium verschiedenster Strömungen

Es gibt den Islam schlicht nicht, zum Leidwesen der Regierung. Ähnlich wie im Christentum existieren verschiedene Strömungen, die einen alleinigen Vertretungsanspruch auf den „wahren Glauben“ proklamieren. So sind sich Sunniten und Schiiten spinnefeind, wie man unschwer im Irak, Libanon etc. beobachten kann. Die Strömung der Aleviten wird zum Teil gar von den anderen Strömungen als nicht-islamisch betrachtet. Und selbst die Strömungen unter sich vertreten verschiedene Rechtsschulen (also zum Teil verschiedene Interpretationen). Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Islam keineswegs institutionalisiert ist, es gibt in keiner Strömung eine zentrale Organisation wie die Kirche im Christentum, im Grunde ist der Islam eine sehr persönliche Religion. Da aber die wenigsten Muslime in Deutschland arabisch kundig sind, und die Riten und die heiligen Schriften in arabisch praktiziert werden, braucht ein Muslim quasi einen Übersetzer. Der türkische Staat, der eine rigorose Trennung von Religion und Staat vornimmt (der Laizismus wurde zur einer Quasireligion erhoben, siehe Kopftuchverbot an türkischen Universitäten, Gerichten etc.), hat dieses Dilemma im eigenen Sinne gelöst, indem der Staat die Ausbildung der Imame übernimmt und in diesem Zuge selbstverständlich in der Ausbildung auf eigene Belange achtet. Eine Regelung für Deutschland existiert bislang nicht, ein Großteil der Imame, die in den türkischen Gemeinden arbeiten, werden eben aus der Türkei geschickt und sind Staatsbedienstete. Eine Ausbildung an deutschen Universitäten findet bislang nicht statt.

Welche Gruppierungen sind auf der Konferenz vertreten und welche nicht?

Auf der Islamkonferenz werden per se nicht alle Muslime in Deutschland repräsentativ vertreten. Auf der einen Seite nehmen staatliche Vertreter, wie das Bundesinnenministerium etc., Platz. Auf der Gegenseite nehmen folgende Vereinigungen teil:

DITIB (Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion) ist der größte Glaubensverein der türkischen Gemeinden. Der Verein regelt auch die Organisation der Imame, die aus der Türkei für vier Jahre nach Deutschland kommen. Dem Verein wird eben die Nähe zum türkischen Staat als Vorwurf ausgelegt, Kritiker sollten aber bedenken, dass die Imame eben staatlich geprüft sind (im Einklang mit dem Laizismus).

An der diesjährigen Konferenz wird der Zentralrat der Muslime in Deutschland aus Protest nicht teilnehmen. Der Vorsitzende, Ayyub Axel Köhler, boykottiert die Konferenz, weil seiner Meinung nach die aufkommende Islamfeindlichkeit nicht auf den Tagespunkt gesetzt wurde. Der Zentralrat bietet eine Plattform für Muslime nicht-türkischer Herkunft.

Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, ein Dachverband verschiedener Vereine, darf an der Konferenz nicht teilnehmen. Hohe Funktionäre des Islamrates sind allem Anschein nach auch für die Milli Görus (eine vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation, der undemokratische Ziele vorgeworfen werden) tätig,die Milli Görüs ist der größte Einzelverein im Dachverband. Die Milli Görüs Bewegung steht der Saadet Partisi in der Türkei nahe, diese Partei vertritt islamistische und antisemitische Positionen.

Eine weitere Gruppe sind Vertreter der Aleviten. Die Aleviten sind eine weitere Strömung und eine Minderheit in der Türkei. Zum großen Teil können die Aleviten als liberal bezeichnet werden (keine Trennung der Geschlechter im Gebetshaus etc.).

Alles in Allem vertreten diese Gruppen einen Bruchteil der muslimischen Gemeinde in Deutschland. Man darf davon ausgehen, dass 90 % der „Muslime“ in Deutschland von der Islamkonferenz, oder gar den Dachverbänden, je was gehört haben. Auch das weiß die Bundesregierung. Und es darf nicht verwundern, dass Vertreter dieser Gruppen sehr konservative Wertvorstellungen haben. Sie fordern unisono (vielleicht Vertreter der Aleviten weniger) vielfach die Trennung der Geschlechter im Sportunterricht, die Einführung einer Islamkunde an staatlichen Schulen für Muslime und eben die Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Gläubige Menschen, die noch dazu (meist freiwillige) Verbandsarbeit leisten, sind von vornerein dem Konservatismus näher, in der katholischen Glaubengemeinschaft ist dies nicht anders; hier gilt es alte Werte zu verteidigen, die alten Riten in der vermeintlichen Fremde beizubehalten. Dennoch ist die Bundesregierung bemüht, Ansprechpartner zu finden, um diese einzubinden und stellvertretend für alle Muslime (selbst wenn diese davon nichts wissen) auf das Grundgesetz Deutschlands festzulegen. Dafür nimmt die Bundesregierung das, was vorhanden ist (es sei denn die Gruppierungen sind illegal).

Wozu Islamkonferenz?

In Deutschland leben und arbeiten nun mal vier Millionen Menschen mit einem islamischen Glauben. Will man verhindern, dass einige Glaubensgemeinschaften sich von der Gesellschaft abkoppeln und undemokratische Ziele verfolgen, muss man das Kind beim Namen nennen und in die Pflicht nehmen. Kofferbomber tun der Gesellschaft einfach nicht gut. Und die Islamophobie ist im Kern ein rassistisches Anliegen, schließlich ist Deutschland ein exportorientiertes Land, man macht auch nun mal dicke Geschäfte mit islamischen Ländern (siehe Vereinigte Arabische Emirate). Ein Minarettsverbot wie in der Schweiz verstößt im Grunde nicht nur gegen die proklamierte Menschenrechte, sondern auch manch Geschäftsmann aus Arabien vorm Kopf. Die Bundesregierung hat dies zwar spät, aber immerhin erkannt. Bleibt zu hoffen, dass sie dies der Bevölkerung vermitteln kann, auch den Bevölkerungsschichten islamischen Glaubens.

3 Comments
  1. Reply
    Enrico Isa Musa Menzel 17. Mai 2010 at 23:34

    Es gibt ja eine weltweite Gruppe, welche einem Oberhaupt untersteht und die Aufgabe hat alle Muslime unter dem Dach des Khilafats zu vereinen. Wir, die Ahmadiyya Muslim Jamaat sind ein sehr guter Ansprechpartner, da wir den Islam in seiner Wahrheit vertreten in 195 Ländern verbrüdert und verschwestert sind und die absolut gleichen Lehren des Islam vertreten und wichtiger-auch täglich praktizieren.
    Wir warten auf Gehör und wünschen Gespräche mit allen Regierungen, besonders mit der hiessigen….
    Freundlichst,
    Isa Musa

  2. Reply
    Reiner Moysich 20. Mai 2010 at 02:26

    Islam-Konferenz ist menschenrechtswidrig!

    Deutschland bekennt sich zu den Menschenrechten und bezeichnet sich als weltanschauungsneutral.

    Aber dann müsste die „Islam-Konferenz“ völlig anders aussehen und andere Ziele haben.
    Es darf nicht darum gehen, Muslime an das von christlichen Politikern dominierte Deutschland anzupassen. Sondern es muss mit den Vertretern der wichtigsten religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen ein Weg gefunden werden, wie die sehr unterschiedlichen Weltanschauungen miteinander friedlich und sich gegenseitig akzeptierend umgehen können, also zum Beispiel Christen (wobei sich nur eine sehr kleine Minderheit in Deutschland so bezeichnen), Muslime, Juden, Buddhisten, Agnostiker, Atheisten.

    Der deutsche Staat verhält sich nur dann weltanschauungskonform und weltanschauungsneutral, wenn er sehr streng darauf achtet, dass keine Weltanschauung bevorzugt oder benachteiligt wird.
    Dies bedeutet, er muss alle menschenrechtswidrigen Bevorzugung einer Weltanschauungsrichtung abschaffen, z.B.:
    – Gottesbezug im Grundgesetz (stattdessen nur Bezug auf Menschenrechte);
    – Religionsunterricht (stattdessen Ethik und Weltanschauungskunde für alle);
    – Kirchensteuer (stattdessen Einzug der Mitgliedsbeiträge durch die Kirchen selbst);
    – staatliche christliche Feiertage (stattdessen nur weltanschauungsneutrale Feiertage, wie z.B. Friedensfest, Feste der Liebe, Gerechtigkeit, Natur).

    Nur so kann Integration und mehr Frieden gelingen!

  3. Reply
    nucki 23. Mai 2010 at 08:43

    Wenn Menschen gelernt haben, dass es egal ist ob man an einen Gott glaubt oder nicht (ob dieser Gott Allah, Budda oder irgendwie anderst heißt ist völlig egal) ändert sich die Welt.
    Die Gemeinsamkeit aller Religionen ist:
    Was du nicht willst das man dir tut, das füg´ auch keinem Andren zu.
    Nach diesem Grundsatz leben übrigens auch viele Menschen die keiner Religionsgemeinschaft angehören.
    Aufgabe für heute: Ich versuche mit einem Menschen friedlicher umzugehen als bisher (wenn ich das jede Woche einmal schaffe werde ich in wenigen Wochen ein völlig anderer Mensch sein und werde die Welt bewegen).

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