Rücktritt der Hisbollah aus der Regierung- politische Krise im Libanon- Hariri unter Druck

Die Ankündigung der Hisbollah, aus der Regierungskoalition des Libanon aussteigen zu wollen, hat das Land der Zedern in eine tiefe politische Krise gestürzt. Während Premierminister Saad Hariri sich zu einem Staatsbesuch bei US-Präsident Obama einfand, ist er nach der Ankündigung der Hisbollah praktisch auf der Dienstreise seines Postens enthoben. Die Hisbollah nannte als Grund für ihren Austritt die Weigerung des Premierministers Hariri, sich öffentlich vom UN-Sondertribunal zu distanzieren. Das UN-Tribunal mit Sitz in Den Haag, unter Vorsitz des italienischen Richters Antonio Cassese  und der Teilnahme libanesischer Richter, soll die Vorkommnisse um die Ermordung des Premierministers Rafiq al-Hariri, des Vaters des nun entthronten Premiers Saad Hariri, untersuchen. Rafiq al-Hariri war bis 2004 (mit Unterbrechungen) libanesischer Premierminister, unter seiner Regierung wurde die syrische Besatzung (von 1976 bis 2006)beendet. Fünf Monate nach seinem Rücktritt (er kritisierte Syriens Einfluss auf den Libanon) tötete eine Autobombe Hariri, den ehemaligen Wirtschaftsminister Bassel Fleihan und weitere 19 Menschen, weit über 100 Menschen wurden verletzt. Die Hisbollah nennt das Sondertribunal parteiisch, hatten doch mehrere Vorberichte auf die Mittäterschaft Syriens gedeutet, die Hisbollah steht Syrien (inzwischen) Nahe.

Der Libanon- Weltmeister der politischen Widersprüche

Der Libanon ist eine Mischung verschiedenster Cluster, in diesem Land leben etliche christliche Religionsgemeinschaften (von den katholischen Maroniten bis hin zu diversen orthodoxen Kirchen) neben Muslimischen (Schiiten und Sunniten) und weiteren Gruppierungen (wie Drusen). Doch so einfach ist die politische Einteilung entlang der Religionen nicht. Beispielsweise gibt es im schiitischen Lager einmal die Hisbollah, die offiziell 1985 als paramilitärische Miliz gegen Israel gegründet wurde, und die Amal-Miliz (gegründet 1975). Im Zuge des Kampfes gegen die PLO (die damals Zuflucht in Libanon fand) 1986 bis 1988 wurde die Amal-Miliz von der Hisbollah, den libanesischen Kommunisten (KPL) und den Drusen (die von Israel unterstützt wurden) angegriffen und nahezu aufgerieben, erst der Eintritt der syrischen Armee verhinderte eine Vernichtung der Amal-Miliz. Im Gegenzug unterstützte die Amal christliche Phalangisten, welche verantwortlich für das Massaker in den Lagern von Sabra und Schatila 1982 war, schätzungsweise 3300 meist unschuldige Menschen wurden getötet, in Sichtweite der syrischen und der israelischen Armee, die bewusst nicht eingriffen. Die Amal hatte zuvor die Lager monatelang abgeriegelt und nahezu ausgehungert.  Nach Ende des blutigen Bürgerkrieges „versöhnten“ sich die Amal-Miliz und die Hisbollah, beide Fraktionen treten auf derselben Wahlliste an. Der einstige Feind der Hisbollah, Syrien, ist heute neben Iran der größte Unterstützer der Miliz. Wechselnde und fließende Fraktionen und Bündnisse gehören zur Politik Libanons, einstige Feinde werden Freunde und andersherum.

Libanon- Gegensätze der Religionen und Weltanschauungen bis zum Krieg

Der Libanon wurde 1943 aus dem französischen Mandat in die Freiheit entlassen, im Gegenzug dienten 20.000 Libanesen in der französischen Armee im Krieg gegen Hitler-Deutschland. Um der religiösen Aufteilung des Landes gerecht zu werden wurde in der libanesischen Verfassung  eine Verteilung der Sitze auch nach Konfessionen beschlossen (6 Christen zu 5 Muslimen). Im Laufe der Zeit verminderte sich der Anteil der christlichen Libanesen, ihre Vertretung in den politischen Ämtern wurde überdurchschnittlich zu groß. Schon in den 60er Jahren brodelten mehrere Konflikte, die zum teil offen ausgetragen wurden. Denn neben der religiösen Aufteilung kam noch die ideologische hinzu, im Zuge des kalten Krieges und des Aufkommens der arabisch-sozialistischen Idee um Nasser begann der Konflikt zwischen den Panarabisten (u.A. Sozialisten, Palästinenser, Schiiten und Sunniten) und den nationalistischen Libanesen (hier insbesondere die christlichen Phalangisten). 1975 brach der Bürgerkrieg im Libanon vollends aus, im Laufe des Krieges wechselten wieder die Bündnisse, Abspaltungen (insbesondere sunnitische und schiitische Milizen) machten die Lage immer unübersichtlicher. Zudem marschierten Staaten wie Syrien (1976) und Israel ein (1978, mit offenem Kriegsausbruch 1982), bis zum Kriegsende starben 110.000 Menschen, über 800.000 Libanesen verließen das Land.

Der Bürgerkrieg als Damokles-Schwert

Der Rücktritt der Hisbollah aus der Regierungskoalition im Libanon schürt die Ängste um einen erneuten Ausbruch eines Bürgerkrieges. Offiziell sind alle Milizen, außer der Hisbollah, zwar entwaffnet, faktisch aber bilden die einzelnen Fraktionen Staaten im Staat. So haben die Gruppierungen neben Waffen beispielsweise eigene TV-Sender und Zeitungen, ganze Städte oder Stadtviertel werden unter den Gruppierungen aufgeteilt. Zudem werden einzelne Fraktionen von ausländischen Staaten unterstützt (Saudi-Arabien die radikalen Sunniten, Iran und Syrien die Schiiten im Libanon etc). Der Beamtenapparat ist deswegen aufgebläht, weil möglichst alle Fraktionen ihre Pfründe sichern wollen, anders ist es nicht zu erklären, warum ein Land mit vier Millionen Einwohnern 30 Minister benötigt. Es reicht nun, wenn die Hisbollah mit ihren Verbündeten (mit insgesamt elf Ministern) aus der Koalition aussteigt, um die fragile Stabilität im Land zum Wanken zu bringen. Daher darf es nicht verwundern, wenn der libanesische Bildungsminister eine Presseerklärung verfassen muss, damit Schüler und Studenten am nächsten Tag am Unterricht teilnehmen.

Zukunft des Libanon- ungewiss

Der Chef der Arabischen Liga, Amr Moussa, bemerkte am Mittwoch, nur eine Regierung der nationalen Einheit könne einen weiteren Bürgerkrieg im Libanon verhindern. So vorschnell die Gefahr eines Bürgerkrieges in den Medien nun ausgemacht wird, die Menschen im Libanon haben den blutigen Bürgerkrieg keineswegs vergessen, anders als 1975 hat keine Gruppierung ein vitales (!) Interesse am Krieg, noch wollen die Staaten in der Region einen Flächenbrand ausbrechen sehen. Zwar gab es 2008 einen bewaffneten Konflikt um die Telefonleitungen im Libanon, mit geschätzten 100 Toten, aber zum Bürgerkrieg kam es nicht, weil auch interne Akteure keine Vorteile durch einen Krieg sahen. Vielmehr will die Hisbollah die Annäherung zwischen Syrien und Hariri stören, das Parlament soll handlungsunfähig gemacht werden, um das Sondertribunal nicht weiter zu unterstützen. Ob die Hisbollah an dem Mord von Hariri verstrickt ist, bleibt vorerst Spekulation. Klar ist, dass die Hisbollah Syrien deutlich gemacht hat, zur Not auf die Unterstützung Syriens zu verzichten. Des Weiteren will Hisbollah-Chef Nasrallah das libanesische Kabinett neu formen und damit seine Macht festigen. Doch nichts ist sicher im Libanon, wechselnde Bündnisse könnten neue Situationen provozieren, die Zukunft des kleinen Landes bleibt ungewiss.

1 Comment
  1. Reply
    martin schmidt 2. Februar 2011 at 13:14

    zwei grosse Fehler:
    1. die Drusen haben zu keinem Zeitpunkt im Libanon eine Unterstützung von Israel bekommen.Weder direkt noch indirekt.Die Drusen waren Sozialisten und mit den progressiven Kräfte alliert.Die Einzigen die militärische sowie politische Unterstützung aus israel bekommen haben waren die rechtsradikalen Kräfte der libanese Forces.
    2.bei dem Massaker von sabra und shatila 1982 war nicht ein einziger syrischer Soldat in Beirut.Die syrische Armee hat sich in die bekaa-ebene zurückgezogen.Dass dieser massenmord unter syrischer Aufsicht passiert ist, würden sich nichtmal die israelis ausgedenken.In welchem Geschichtsbuch haben sie das gelesen?
    Ich finde es eine frechheit den Leser, mit solchen Lügen und Verdrehungen, in die Irre zuführen.

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