Bundesärztekammer will bei Suizid-Assistenz Verbotsformulierungen abschaffen

Die Bundesärztekammer will in ihren Richtlinien und Berufsordnungen das bisherige standesrechtliche Verbot der ärztlichen Assistenz bei einer freiverantwortlichen Selbsttötung von Schwerstkranken durch offenere Formulierungen ersetzen. Im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe) sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, zwar seien „die neuen standesrechtlichen Formulierungen zur ärztlichen Suizid-Assistenz noch nicht von den entscheidungsbefugten Gremien der Bundesärztekammer abschließend diskutiert worden“ und seien „noch auf unserem Ärztetag Ende Mai zu debattieren“. Doch gehen laut Hoppe „die bisher diskutierten Optionen in die Richtung, dass bisherige Verbotsformulierungen, nach denen die ärztliche Begleitung und Assistenz bei einem Suizid unethisch und nicht mit der ärztlichen Berufsausübung zu vereinbaren sein, abgelöst werden durch eher beschreibende Formulierungen, nach denen die ärztliche Suizid-Beihilfe nicht zum Repertoire ärztlichen Handeln gehört“.

Mit dieser Änderung reagiere man laut Hoppe „auf die Ergebnisse einer Allensbach-Umfrage im Auftrag der Bundesärztekammer, die ergab, dass etwa 30 Prozent der befragten Ärzte bereit wären, bei Krebspatienten im Endstadium ihrer Krankheit Hilfe beim Suizid zu leisten. Diese doch recht große Bereitschaft zur ärztlichen Suizid-Beihilfe in jenen Fällen zwingt uns einfach zum Nachdenken, wir müssen auf jene Kollegen mit unseren Formulierungen Rücksicht nehmen.“ Der Spielraum, der den Ärzten künftig eröffnet wird, soll nach Angaben auf Fälle auswegloser Krankheiten beschränkt werden. Hoppe sagte, man müsse die betreffenden Kollegen „darauf hinweisen, dass sie stets zu prüfen haben, ob dem Suizid-Wunsch eines Patienten nicht eine behandelbare Krankheit zugrunde liegt, etwa eine Depression, die behandelt werden muss, statt dass man den aus dieser Depression entspringenden Suizid-Wunsch erfüllt“. Wie Hoppe der „Welt“ weiter sagte, wird sich „in den neuen Formulierungen vermutlich kein expliziter Verweis auf das ärztliche Gewissen finden, dem die Entscheidung über die Suizid-Beihilfe überlassen bleiben soll. So weit werden wir nicht gehen, weil der ärztliche Beruf nicht mit dem Töten in Verbindung gebracht werden darf. Dennoch wollen wir in den ethischen Handreichungen zu diesem Komplex Formulierungen finden, die den Überlegungen der genannten 30 Prozent, die zur ärztlichen Assistenz bei einem Suizid bereit sind, Rechnung tragen.“ Die Bereitschaft zur Toleranz gegenüber bei der Selbsttötung helfenden Ärzten unterstrich Hoppe durch den Hinweis darauf, „dass es trotz des bisherigen Verbots der ärztlichen Suizid-Beihilfe seit 30 Jahren keine standesrechtlichen Konsequenzen gegen Ärzte gegeben hat, die meinten, Suizid-Beihilfe geleistet zu haben, obwohl sie lediglich in der Endphase einer tödlichen Krankheit zur Leidensminderung im Sinne des Patientenwillens beigetragen haben“. Ärztliche Beihilfe beim freiverantwortlichen Suizid, etwa durch Bereitstellung von tödlich wirkenden Medikamenten, ist in Deutschland keine Straftat, da der Suizid keine Straftat ist. Bislang aber gilt solche Mithilfe nach dem Standesrecht der Ärzte als verboten und kann daher in Deutschland, anders als in der Schweiz, den Niederlanden und den US-Bundesstaaten Oregon und Washington, nicht geleistet werden.

Diese Meldung aus Berlin wurde am 28.12.2010 um 14:43 Uhr mit den Stichworten DEU, Gesundheit, Gesellschaft übertragen.

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