Selbstbeteiligung an Behandlungskosten und Krankenkassen machen Gewinne: eine Kritik

Die Monopolkommission, die die Bundesregierung in Sachen Wettbewerbspolitik und Regulierung berät, schlägt nun vor, dass Patienten sich an den Behandlungskosten beteiligen sollen. Gleichzeitig taucht die Meldung auf, dass die Krankenkassen im letzten Jahr mehr eingenommen und weniger ausgegeben haben, als erwartet. Trotz höherer Gewinne scheint ein bundesweites Preisausschreiben statt zu finden, gesammelt werden die absurdesten Vorschläge zur Kürzung von Leistungsangeboten und gleichzeitiger Beitragserhöhung. Man fragt sich, ob die Menschen von der Monopolkommission lesen und schreiben können. Zusätzlich wird die Lage von der Bundesregierung verschärft, ihre Gesundheitsreform unter der Ägide von Bundesgesundheitsminister Rösler setzt alles in Bewegung, um die defizitäre Gesetzliche Krankenversicherung zu retten. Alle wissen, die jetzige Gesundheitsreform (die eine dauerhafte Finanzierung gewährleisten soll) ist die vor der nächsten Reform.

Das grundlegende Problem zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt nicht auf der Ausgabenseite (seit Jahrzehnten bei ca. 10 % des BIP), vielmehr ist es die Einnahmeseite. Die Gesetzliche Krankenversicherung ist beitragsfinanziert, d.h. ein Anteil (momentan 14,9 % des Bruttolohnes, durch die „Gesundheitsreform“ ab dem 1.1.2011 15,5 % des Bruttolohnes) des Lohnes wird abgeführt. Eine Entkopplung, wie sie die FDP fordert, stellt das System auf den Kopf.  „Arbeit“ wäre zu teuer in Deutschland lautet das Argument, im internationalen Vergleich. Das Gegenteil ist aber der Fall, seit Jahren stagnieren Löhne und Gehälter in Deutschland (um ja Arbeitsplätze zu sichern), ein Niedriglohnsektor wurde erfolgreich eingeführt, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, das BIP steigt und damit die Exporterlöse. Ein Schelm, wer diesen Reichtum auch noch adäquat aufteilen möchte. Um die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung sicherstellen zu können, reicht es, die Löhne an der Entwicklung des BIP zu koppeln, so einfach kann es sein.

Nein, stattdessen wird es sich jeder Mensch in Deutschland demnächst zweimal überlegen, ob er/sie zum Arzt geht oder nicht. Die Forderung der Monopolkommission klingt da wie Hohn, die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung solle „um ein Element einer zwingenden Beteiligung von Patienten an den von ihnen verursachten Kosten“ erweitert werden. Heißt das etwa, ein Dachdecker (sukzessive Bauarbeiter etc pp.), der 30 Jahre lang seine Knochen verschlissen hat, soll demnächst die Kosten für seinen Bandscheibenvorfall selber bezahlen? Heißt das etwa, jeder Mensch ist selber Schuld und sollte nach Möglichkeit einen bequemen Job in einer orakelartigen Monopolkommission arbeiten? Ach ja, die Monopolkommission fordert ja auch prinzipiengerecht eine Beteiligung nach dem Solidarprinzip (Reiche mehr, Arme weniger). Ist das etwa zu weit gedacht, wenn man die Behauptung aufstellt, ein Reicher kann es sich eben leisten? Stellt eine Forderung dieserArt nicht den Beginn einer Zwei-Klassen Gesellschaft dar (sofern diese nicht schon besteht)?

Im gleichen Atemzug vermelden die Krankenkassen einen höheren Gewinn, im Jahr 2009 haben die Krankenkassen einen Überschuss von 1,3 Milliarden Euro (statt der erwarteten 900 Millionen Euro) erwirtschaftet. Wie geschildert, die Gesetzliche Krankenversicherung ist beitragsfinanziert, und die Wirtschaft brummt wieder nach der Rezession; ein Dämlack, der Zusammenhänge nicht erkennen will. Und wenn schon die prognostizierten Gewinne höher ausfallen (also die Berechnung offensichtlich falsch lag), wer sagt uns, dass die prognostizierten 2,5 Milliarden Euro Defizit der GKV auch wirklich stimmen? Nochmal zum Festhalten, die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung ist im Wesentlichen abhängig von Löhnen und Gehältern, wer die Finanzierung sicher stellen möchte, muss an dieser Schraube drehen. Eine Konzentration auf die Ausgabenseite ist immer sinnvoll, aber darf nicht das alleinige Mittel sein. Der Gesundheitsektor in Deutschland stellt nicht nur Kosten dar, sondern produziert auch Reichtum (von der Sicherstellung der Gesundheit abgesehen, ein kostbares Gut und mit keinem Geld aufzuwiegen). Medizintechnik Made in Germany ist weltweit gefragt, zigTausende Jobs hängen daran. Die Gesetzliche Krankenversicherung wurde von Bismarck eingeführt, man mag zu ihm stehen wie man will, aber der Mann war weitsichtig (mehr als man der aktuellen Bundesregierung nachsagen kann). Die Krankenversicherung ist mit ein Grund, warum der soziale Frieden in Deutschland gewahrt wird, warum Deutschland die wenigsten Streiktage in der EU hat, und den niedrigsten Krankenstand innerhalb der EU dazu. Wer solche Prinzipien aufgeben möchte, weil kurzfristig mehr Profite erwartet werden können, hat von Nachhaltigkeit nichts gehört. Zeit für ein wenig Kritik bietet diese Bundesregierung allemal.

1 Comment
  1. Reply
    Schmadalla 16. August 2010 at 09:14

    Amerika lässt grüßen!Genau wie in USA. Erst „leichterer Umstieg“ zur scheinbar günstigeren PKV und parallel die Aushöhlung der Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Wenn dann viele umgestiegen sind, werden die Versicherten ausgenommen wie die Weihnachtsgänse frei nach dem amerikanischem Prinzip!
    Wer sich informieren will sollte sich den Film Sicko von Michael Moore ansehen und dann weiß er, was die unheilige Allianz von Politikern und Lobyisten mit den deutschen Versicherten vorhaben! Finger weg vom Sozialstaat.

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