Bundespräsident Wulff: Brötchen aus Hannover – ein Kommentar

Am 5. Oktober 1789 zog der so genannte Zug der Frauen aus Paris nach Versailles, erstürmte das pompöse Schloss und zwang König Ludwig XVI mitsamt Hofstaat nach Paris zu ziehen. Auslöser hierfür war der hohe Preis für Brot und die schlechte Versorgung mit Nahrungsmitteln. In Berlin wurde heute bekannt, dass Bundespräsident Wulff sich Brötchen aus Hannover liefern lässt, ein Zug der Frauen wurde allerdings bislang nicht ausgemacht. Stattdessen bekunden Naturschützer und Bäckerei-Vertreter ihren Unmut, in der Tat ist die Belieferung mit Brötchen aus Hannover ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll. Nun besteht die Gefahr, dass ein Zug sensationserheischender Journalisten ins Schloss Bellevue zieht, Präsident Wulff I aus dem Schloss und gnadenlos vor die Kameralinse zerrt. Verkehrte Welt mag man denken, doch schließlich leben eben nicht in revolutionären Zeiten, sondern im so genannten Medien-Zeitalter.

Die gnadenlose Hetze der Medien wirkt viel schlimmer, als die schlimmsten Auswüchse der Französischen Revolution. Zwar ist die Lieferung von Brötchen aus Hannover nach Berlin ein fragwürdiger Gaumenschmaus, aber beileibe nicht die einzige Eigenart des Bundespräsidenten. Naturschützende und schimpfende Rohrspatzen  aus der Medienlandschaft hätten Stoff genug,  unsinnige (aber ökonomische) Warenzyklen von Nahrungsmitteln zu beanstanden. Ein Blick auf Krabben reicht aus, die im Atlantik von europäischen Kuttern gefangen werden, aber in Marokko von Frauen (weil eben günstiger) geschält werden, um dann im deutschen Supermarktregal zu landen, oder aber auf dem Buffet des Bundespräsidentenamtes bei diversen Anlässen schick dekoriert platziert werden.

Jochen Gaues, heißt der Hoflieferant von Wulff, und soll Gerüchten nach leckere Brötchen backen. Doch in der vier-Millionen Metropole wird es sicherlich einen Bäckermeister geben, der es locker mit dem Hoflieferanten aufnehmen kann. Somit gibt es für Wulff keinen wirklichen Grund, bei den Brötchen aus Hannover zu bleiben. Doch die Empörung der Journalisten wirkt ein wenig heuchlerisch, schließlich sind sie es als Kunden, die beim KaDeWe Brot aus Frankreich bestellen. Auch das Hotel Adlon lässt seine Brote aus Hannover/Gaues Bäckerei einliefern. Auch ein Joschka Fischer holt sich seine Brötchen von Gaues, dem Fachblatt für das geheime Leben der Stars (BILD) zufolge genießt auch ein Jack Nicholson, ein spanischer König Carlos und die gesamte deutsche Fußball-Nationalmannschaft diese Brötchen. Vielleicht sind diese wirklich unschlagbar, geneigte Leser sollten vielleicht diese kosten bevor sie Urteile aussprechen. Verrückte Zeit, dieses so genannte Sommerloch.

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